Der Schadensfall am Drehort.

Sofern es nicht im Drehbuch steht, will man an einem Drehort keine so besorgniserregenden Geräusche, wie das typische Klirren von Glas hören - wenn es bricht. Denn solcher Art Geräusche kündigen einen Schaden an, einen Versicherungsschaden. Auf welche Punkte sollten geschädigte Vermietende und versicherte Produktionen bei einem Schadensfall in einer gemieteten Film- und Fotolocation achten?

Ein nicht zu unterschätzendes Szenario am Drehort ist der Schadensfall in einer gemieteten Location, deren Auswirkungen auf die laufenden Dreharbeiten gering bis gravierend sein können. Es gibt viele Arten von möglichen Schäden in einem Mietobjekt. Die geläufigsten sind: Personenschäden, Sachschäden, Vermögensschäden, Mietsachschäden, Obhutsschäden und Umweltschäden sowie Tätigkeitsschäden.

Der Schadensfall (fiktiv)

Beispiel 1: Ein Schauspieler stolpert beim konzentrierten Spiel über ein vom Beleuchter sorgfältig verlegtes Kabel und reißt beim Fallen eine zum Setting gehörende Vase des Motivgebenden mit sich hinunter auf den Steinboden. Der Schauspieler verletzt sich am Knie und die Vase zerspringt in viele Teile.

Beispiel 2: Beim Rückbau der Location bleibt das Team mit einem sperrigen Equipment-Gegenstand am Türrahmen hängen. Im säuberlich gestrichenen Türrahmen befindet sich nun eine lange, tiefe und hässliche Schramme.

Beispiel 3: Der Filmhund ist aufgeregt und wedelt vor seinem Einsatz freudig mit dem Schwanz. Dabei fegt er die schönen Gläser der Vermietenden aus der Vitrine. Eines der zerbrochenen Gläser verletzt ein Model, das ebenfalls auf Ihren Einsatz wartet und direkt neben dem Regal steht.

Beispiel 4: Der Außenpool der Location wird bespielt. Um die Schauspieler für die Szene immer wieder realistisch "nass" zu halten, wird ein Gartenschlauch genutzt der an die Wasserleitung angeschlossen ist. Das Team dreht eine Szene und geht danach in die Mittagspause. Niemand bemerkt, dass sich der Schlauch von der Verbindung löst und ungebeten den Rasen und leider auch das Set, das aus Teakholz-Gartenmöbel der Vermietenden besteht, unter Wasser setzt.

Man benötigt gar nicht so viel Fantasie um sich die unterschiedlichsten und manchmal auch absurdesten Situationen vorzustellen, die völlig unbeabsichtigt initiiert wurden und mit viel Pech versehen, als ereignisreiche Kettenreaktionen ablaufen. An einem solchen Ende steht fast immer ein großer wirtschaftlicher wie auch moralischer Schaden. Dies gilt sowohl für motivgebende Vermietende wie für die motivnehmende Produktion.

Da diese Fälle einer erfahrenen und umsichtigen Produktion durchaus verständlich oder sogar bekannt sind, wird von der Produktion vor Unterzeichnung des Motivvertrages ein Produktionshaftpflicht-Versicherungsschutz abgeschlossen. Vermietende sollten unbedingt auf dessen Vorhandensein und dessen Nachweis bestehen. Wir haben uns diesem Thema in einem weiteren Blogbeitrag gewidmet.

Voraussetzung für die Anmietung einer Location für eine Film-, Video- oder Fotoproduktion, ist der Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Und genauer: einer Produktionshaftpflichtversicherung.

Die Produktionshaftpflichtversicherung

Die während einer Film- Video- oder Fotoproduktion möglichen Risiken für Schäden an einem Mietobjekt - der Location - sind versichert, wenn die Produktion eine Produktionshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat. Diese auf die Branche zugeschnittene Versicherung schützt Film- und Fotoproduktionen vor unterschiedlichen Risiken und tritt in Kraft, wenn die versicherte Produktion Schäden an Dritten verursacht. Im Fall eines Schadens in einer von der Produktion für die Dauer der Dreharbeiten gemieteten Location, einer Mietsache, handelt es sich bei den Dritten immer um die Vermietenden.

Der Versicherungsschutz besteht nicht nur für den Versicherungsnehmer - dies ist die Produktion - sondern auch für deren Mitarbeiter*innen, freie Assistent*innen und alle vom Versicherungsnehmer gebuchten Subunternehmer wie z.B. die Filmcrew oder das Fototeam, Darsteller*innen oder Modelle.

Eine Produktionshaftpflichtversicherung sollte mindestens folgende Risiken für die Anmietung einer Location versichern

Deckungssumme für Personen und Sachschäden: ca. in Höhe von 3 Millionen Euro
Deckungssumme für Vermögensschäden: mindestens 1 Million Euro
Mitversichert: Freie Mitarbeiter/Subunternehmerbeauftragung
Mitversichert: Mietsachschäden
Mitversichert: Obhut Schäden
Mitversichert: Sonstige Tätigkeitsschäden (z.B. Be- und Entladen)
Mitversichert: Umweltrisiken (falls erforderlich)

Grundsätzliches für den Schadenfall

Fristen beachten. Vor Produktionsbeginn sollte die Produktion die im Vertrag hinterlegten Meldefristen, das ist die Zeit, die Versicherten für die Schadensmeldung zur Verfügung steht, notieren. Die Zeit, um einen Schaden beim Versicherungsunternehmen melden zu können, muss eingehalten werden.

Beweispflichten. Wie es in Klauseln von Versicherungen rechtskräftig formuliert heißt: der Versicherungsschutz greift nicht bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, bei fahrlässig und mutwillig herbeigeführten Schäden, denn sie sind Verschuldensformen. Fahrlässig bedeutet, dass die Person, die den Schaden verursacht hat, die Sorgfaltspflicht außer Acht lässt. Mutwillig bedeutet beabsichtigt handeln. Niemand will einer Produktion solch ein Verhalten an einem gemieteten Drehort unterstellen. Dennoch wird dieser Punkt von Versicherungen geprüft und die Beweispflicht liegt immer beim Schadenverursachenden - also bei der Produktion.

Es besteht Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer beweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat. Die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

Die Geschädigten, die Dritten - das sind die Vermietenden - betrifft jedoch ebenfalls eine Beweispflicht: sie müssen den Schadensfall und die Schadenshöhe gegenüber dem Versicherungsunternehmen nachweisen. Denn die Versicherung wird die versicherte Produktion gegen unberechtigte Forderungen oder vor unberechtigten Schadensansprüchen schützen.

In diesem Zusammenhang regulieren wir nicht nur den Schaden, sondern prüfen auch, ob und in welcher Höhe eine Verpflichtung zum Schadensersatz besteht, wehren unbegründete Schadensersatzansprüche ab und bieten damit auch Rechtsschutz bei unberechtigten Haftungsansprüchen.

Auszug aus den Versicherungsbedingungen der Interlloyd.

Nachweise. Sobald der Schaden bemerkt wurde oder zumindest so schnell wie möglich - sollte die Sicherung und Bestandsaufnahme der Schadensnachweise anlaufen. Keine Angst, so akribisch wie bei einem Tatort muss der Schadenort nicht abgeriegelt werden. Dennoch gilt: je sorgfältiger und detaillierter die Bestandsaufnahme, desto besser.

Vereinfachte Schadenabwicklungspraxis
Howden Caninenberg gewährleistet eine schnelle und unkomplizierte Schadenabwicklung über unsere Regulierungsvollmachten der Versicherer. Die Meldeprozedere sind soweit vereinfacht, dass Frequenzschäden über ein verkürztes Verfahren erfasst und verarbeitet werden.
Bei Großschäden unterstützen unsere erfahrenen Mitarbeiter die Schadenverhandlung mit dem Versicherer vor Ort. - Howden Caninenberg -

Der Ablauf: Wie wird ein Schaden an die Versicherung gemeldet?

Den Schaden meldet im Normalfall die versicherte Produktion - der Versicherungsnehmer.

Die Schadenmeldung

Egal ob Sie zum Telefon greifen oder sich auf die Webseite des Versicherungsunternehmens begeben um ein Formular online auszufüllen, Sie benötigen nun einige Daten.

1. Daten des Versicherungsnehmers

  • Versicherungsscheinnummer oder Versicherungsnummer
  • Firmenname des Versicherungsnehmers
  • Ansprechpartner für die Versicherung
  • Ihre vollständige Anschrift
  • Ihre Telefonnummer
  • Ihre E‑Mail-Adresse

Der Schaden wird vom Versicherungsnehmer - der Produktion - an deren Versicherung gemeldet. Manche Versicherungen ermöglichen dies online auf deren Website mit einem Formular. Möglich ist jedoch auch ein telefonischer oder schriftlicher Direktkontakt. Es gibt auch die Möglichkeit, Formulare von Versicherungsunternehmen - die Schadensanzeige - auszufüllen und per Mail, Post oder Fax an die Versicherung zu senden.

2. Angaben zum Schaden

Je nach Schaden - verfassen Sie eine wahrheitsgemäße, klare Beschreibung. Eine vollständige Schadensangabe für die Schadenmeldung beinhaltet folgende Informationen:

  • Art des Schadens
  • Schadenort mit Adresse
  • Angaben zum Schadenverursacher
  • geschätzte Schadenhöhe (unverbindlich)
  • Schadentag mit Uhrzeit
  • Schadenhergang (kurze Schilderung des Schadengeschehens)
  • Polizeiliche Ermittlung durch Aktenzeichen/Sachbearbeiter/Dienststelle belegen
  • Zeugen mit Name, Vorname, Anschrift benennen

Optionale, zusätzliche Angaben und Dokumentationen des Schadens können sein:

  • Auflistung der zu ersetzenden Gegenstände bzw. der benötigten Leistung(en)
  • Nachweise wie Fotos, Videos, Zeugenaussagen
  • Rechnungen der zu ersetzenden Gegenstände. Bitten Sie die Geschädigten um Kopien.

Art des Schadens. Es gibt z.B. den Personenschaden, Sachschaden, Vermögensschaden, Obhutsschaden, Mietsachschaden, Tätigkeitsschaden oder Umweltschaden.

Schadenort. Dies ist die Location, die gemietet wurde. Die genaue Adresse, mit ggf. Stockwerkangaben bei Wohnungen, übernehmen Sie aus dem Motivvertrag.

Schadenverursacher. Die Person, die den Schaden verursacht, benennen Sie mit Name, Vorname und Funktion.

Schadenhöhe. Um einen Schaden erfassen zu können wird der Schaden zuerst von Ihnen (grob) geschätzt. Gut wäre dafür ein Kaufbeleg oder eine Rechnung, auf der der Kaufpreis des Gegenstandes festgehalten wurde. Geben Sie die Schadenhöhe in EURO an.

Schadenhergang. Wie schildert man einen Schaden? Da diese Schilderung immer verlangt wird, versuchen Sie den Verlauf chronologisch zu erzählen mit den genauen Ortsangaben des Geschehens, den am Schaden Beteiligten inklusive Schadenverursacher und natürlich mit Nennung der verletzten Person oder der beschädigten Gegenstände. Versuchen Sie den Hergang möglichst verständlich darzustellen. Nennen Sie auch anwesende Zeugen - falls vorhanden. Sollte die Polizei gerufen worden sein, benötigen Sie das Aktenzeichen und die Kontaktdaten der Dienststelle.

Zeitpunkt des Schadens. Halten Sie das Datum und die genaue Uhrzeit fest, an denen der Schaden entstanden ist.

Dokumentation. Der Schaden kann von Ihnen noch vor Ort mit Fotos oder auch Videos belegt und dokumentiert werden. Erstellen Sie die Fotos oder Videos sofort und wenn möglich aus mehreren Perspektiven. Wenn Sie ein Video aufnehmen, umrunden Sie den Schadenort oder den beschädigten Gegenstand einmal vollständig.

3. Angaben zum Geschädigten

Wer wurde geschädigt? Entnehmen Sie die genauen Daten Ihrer Vertragspartei aus dem Motivvertrag.

  • Name Ihrer Vertragspartner*in (ggf. Firmenname)
  • Anschrift Ihrer Vertragspartner*in
  • Kontaktdaten wie Telefon und/oder E-Mail-Adresse

Tipps für Produktionen

  • Die Versicherungsunterlagen wie Police oder Versicherungsschein gehören als Kopie immer mit ans Set um im Fall der Fälle sofort reagieren zu können.
  • Bei der Location Übergabe vom Vermietenden an die Produktion, ist die Bestandsaufnahme von bereits vorhandenen, offensichtlichen Schäden an der Location eine sinnvolle Dokumentation, schon allein um Missverständnisse auszuräumen.
  • Um alte, bestehende Schäden oder die neu entstandenen Schäden am Mietobjekt zu dokumentieren ist eine digitale Kamera oder ein Smartphone mit Kamerafunktion bestens geeignet.
  • In jedem Fall melden Sie Ihrer Versicherung die durch Ihre Produktion verursachten Schäden sofort bzw. schnellstmöglich.
  • Vergleichen und schätzen Sie die Höhe des Schadens mit einer möglicherweise bestehenden Selbstbeteiligung bzw. prüfen Sie die mögliche Erhöhung des Versicherungsbetrages bei Schadenfällen für laufende, langfristige Verträge.

Tipps für Vermietende

  • Bearbeiten Sie weder die Fotos noch die Videos, die Sie vom Schaden in Ihrer Location erstellen. Lassen Sie die Metadaten in den Dateien - für den Fall, dass Sie eine sehr ausführliche Beweispflicht führen müssen.
  • Anschaffungsbelege, Rechnungen oder Quittungen der beschädigten Gegenstände helfen Ihnen dabei die Schadenshöhe zu beziffern oder zumindest zu schätzen. Auch ein Kostenvoranschlag von Lieferanten kann helfen. Fertigen Sie Kopien an, die an die Versicherung weitergeleitet werden können.
  • Die beschädigten Gegenstände sollten dringend bis zur Schadenregulierung aufbewahrt werden.
  • Notieren Sie sich die Kontaktdaten von möglichen Zeugen.
  • Sollte die Polizei gerufen worden sein, lassen Sie sich das Aktenzeichen geben und die bearbeitende Dienststelle.

Fazit

Der Volksmund meint: was schiefgehen kann, geht schief. Dem stimmen Versicherungsunternehmen grundsätzlich zu.

Tatsächlich ist es nahezu unmöglich, alle Faktoren, die ein Risiko beinhalten könnten aus dem Weg zu räumen und schon gar nicht, wenn viele Menschen an einem Ort zusammenkommen. Niemand will das Eigentum einer anderen Person beschädigen oder gar eine andere Person verletzen, aber es passiert, kann passieren, denn wir leben nun mal weder betoniert noch festgeschweißt. Wir bewegen uns: Schauspieler spielen, Kameraleute suchen das schönste Motiv, Beleuchter bauen komplizierte Lichtkonstruktionen und Set Designer gestalten Locations. Und beim Einsatz von Filmtieren kommen weitere Faktoren hinzu die man getrost "die Unbekannten" nennen darf.

Ein Schaden, den eine Produktion am Eigentum Dritter verursacht, ist nicht nur für die Produktion sondern auch für die Geschädigten sehr unangenehm, sehr zeitaufwändig, oft sehr kostspielig. 

Einen Schaden zu melden gehört zu den Pflichtaufgaben einer Produktion und zum einfachen Basiswissen. Eine Produktion die ohne gute und gewissenhafte Vorbereitung und unversichert - on location - dreht oder fotografiert, nimmt viel zu viel Risiko in Kauf, denn leider läuft es manchmal trotz der größten Sorgfalt schief.